„JEDE ZEIT HAT IHRE AUFGABE,
UND DURCH DIE LÖSUNG DERSELBEN RÜCKT DIE MENSCHHEIT WEITER.“

HEINRICH HEINE

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Mo 05. Mär 2018
Jour fixe, Herrenabend

Heine-Freund Dr. Helmut Blum: "Eine Reise durch die Alchemie" (FOTOGALERIE)


Viele Menschen haben von der sogenannten Alchemie eine absolut falsche Vorstellung. Sie assoziieren damit etwas Geheimnisvolles, Kurioses oder sogar Hexerei. In einem spannenden Vortrag zeigte uns Dr. Helmut Blum, dass in Wahrheit die Alchemie schon sehr früh in allen Kulturkreisen verbreitet war. ......
Die Alchemie ist die Mutter vieler Naturwissenschaften, wie vor allem der Chemie, Pharmazie und Medizin. Aber es war ein langer und ereignisreicher Weg, bis sich endlich mit Beginn des 18. Jh. aus diesem Sammelsurium aus philosophischen Sichtweisen, vielerlei Erkenntnissen über die Natur der Stoffe, handwerklichen Fertigkeiten und erprobten Anwendungstechniken die exakten Wissenschaften herausschälten. Die Anfänge der Alchemie gehen bis in die frühe Bronzezeit zurück, sodass von den zahlreichen Übersetzungen dieses arabischen Wortes لخيمياء die Ableitung aus dem Griechischen mit „Metallguss“ von al-kīmiyāʾwohl die geläufigste ist. So schillernd und facettenreich wie der Name bleibt auch der Ursprung der Alchemie im Dunkel der Geschichte der frühen Menschheit.

 

Heine Freund, Dr. Helmut Blum, veranschaulichte uns als kundiger Reiseführer die Etappen dieser wissenschaftlichen Evolution und machte uns als exzellenter Kenner dieses Metiers mit seinem spannenden foliengestützten Vortrag mit wichtigen Errungenschaften und bedeutsamen Entwicklungen der Alchemie vertraut. Dabei traten berühmte Alchemisten auf, wie Johann F. Böttger und Ehrenfried W. von Tschirnhaus, denen Meißen seine weltbekannte Porzellanmanufaktur verdankt, Theophrastus Bombast von Hohenstein, bekannt als Paracelsus, dem Pionier der Herstellung von Heilmitteln, der auch den Beginn der Iatrochemie begründete, oder Dr. Eisenbarth, der als Wunderchirurg riskante Operationen erfolgreich durchführte.

Die Geschichte der Alchemie lässt sich in verschiedene Epochen einteilen, beginnend mit der handwerklichen Alchemie im 6. bis 4. Jh. v. Chr., gefolgt von der in Arabien, Ägypten, China, Griechenland und in der Türkei praktizierten Alchemie, die ab dem 12. Jh. über Spanien nach Europa gelangte. Hier erlebte sie als klassische Alchemie vom 14. bis zum 17. Jh. ihre Blütezeit. Die Nutzbarmachung der Alchemie in Form der Iatrochemie führte zu ersten universitären Lehrstühlen im 17. Jh. und einer engeren Verknüpfung von Chemie und Medizin. Dieser Schritt darf als Vorläufer der heutigen Pharmazie angesehen werden. Ab dem 18. Jh. erfolgte relativ rasch der Übergang zur exakten Naturwissenschaft Chemie, die anfänglich streng zwischen der anorganischen Ausrichtung und dem organischen Bereich unterschied. Mit Beginn des 20. Jh. entstand die neue Disziplin Biochemie aus der Fusion von organischer Chemie und Biologie. Jüngste Neuentwicklungen sind seit den siebziger Jahren des 20. Jh. die Fachrichtungen Biotechnologie, Molekularmedizin, Bionik, Gentechnik u.a.

Schon in der Antike befasste man sich mit der Distinktion der Elemente; anfänglich waren es die vier Urelemente Erde, Wasser, Luft und Feuer - eine Auffassung, die auch Empedokles und Aristoteles vertraten, wobei die von Aristoteles beschriebenen wahrnehmbaren Eigenschaften warm - kalt - trocken - feucht den naturphilosophischen Zusammenhalt darstellten. Die im Laufe der Jahrhunderte in der Entwicklungsgeschichte der Alchemie aufgestellten zahlreichen alchimistischer Zeichen liefern bei der richtigen Zusammenstellung eine Affinitätstabelle, die als frühes Vorlaufmodell des heutigen Periodensystems der Elemente interpretiert werden darf.

Ein weiteres Markenzeichen der Alchemie war die Suche nach dem Stein der Weisen. Zum einen verstand man darunter die Kunst, ein edles Metall wie Gold oder Silber aus einem unedlen zu gewinnen. Aber es war auch die Suche nach einem Stoff/Heilmittel für ein langes Leben. Gerade diese Experimente haben der Entwicklung der Chemie viele neue und nützliche Impulse gebracht.

 

Die Alchemie des Altertums brachte viele Kunstfertigkeiten und Technologien hervor, wie die Verhüttung von Kupfer und Zinn, später von Eisen, Blei und Quecksilber. Aber auch im Bereich der Erzeugung und der Veredlung von Textilien wurden in Ägypten bereits vor fast viertausend Jahren Techniken des Webens, Waschens und Färbens entwickelt. Braukunst und Weinerzeugung sind gleichfalls Errungenschaften der handwerklichen Alchemie aus der Frühzeit. Die Herstellung wirksamer Brandsätze und ihr kriegerischer Einsatz als Flammenwerfer sind Produkte alchemistischen Tuns.

Deutsche Alchimisten, wie Johann Friedrich Böttger und Paracelsus, haben der Alchemie zu Anerkennung und Ruhm verholfen. Denn die Alchemie stand auch im Ruf der Zauberkunst und Quacksalberei. Da jene Alchemisten, die ausschließlich nach Gold oder Silber suchten, erfolglos bleiben mussten, wurden etliche von ihnen kurzerhand aufgeknüpft – sie endeten am berühmten „Goldenen Galgen“. Böttger blieb dieses Schicksal erspart, weil er bei seinen Experimenten das Porzellan erfand, deshalb auch „weißes Gold“ genannt. Paracelsus kann als Autorität der deutschen Alchemisten und Iatrochemiker angesehen werden, der als Alchimist, Apotheker, Medicus und Naturphilosoph viele für die damalige Zeit wirksame Heilmittel entwickelte und erste grundlegende Hypothesen in der menschlichen Physiologie aufstellte. Gestützt wurde die Iatrochemie durch das Sammeln von medizinischen Erkenntnissen und der Entwicklung von heilenden Tinkturen, Salben und Kräutern durch die alchemistischen Arbeiten von Mönchen in vielen Klöstern, die als geschützte Orte galten.

 

Heine Freund, Dr. Helmut Blum, stellte uns noch weitere bedeutende Pioniere der Alchemie in ihrem Wirken vor und führte uns in uns unbekannte Gefilde dieser vorwissenschaftlichen Kunst, in denen bahnbrechende Erfindungen gemacht wurden. Als Fazit seines brillanten Vortrags sei hier sein Schlusszitat vermerkt:

 

„Die alchemistische Entwicklung über Jahrtausende ist sowohl die Basis als auch die Brücke zur heutigen modernen Chemie, Biochemie und theoretischen Medizin. Damit beruhen diese Wissen-schaftsdisziplinen auf den Denkprozessen, den Bemühungen und dem Forschen vieler Generationen von Gelehrten, deren Denken und Tun sich mit den Zeiten ändert. Ihre Art des Ausprobierens und Zusammenfügens von Gelehrsamkeiten - mit der Kraft des Zweifelns und der Möglichkeit des Irrens -hat den Wissensstand der modernen Naturwissenschaften möglich gemacht.“

 

Für seine spannende, lehrreiche und unterhaltsame Reise durch die Geschichte der Alchemie wurde er mit kräftigem Beifall bedacht. Er hat uns in eine Welt geführt, von der die meisten Zeitgenossen nur den Namen kennen. Es war eine Archäologie des menschlichen Strebens nach Wissen und Erkenntnis über die Beschaffenheit der Welt. So sei als Schlusszitat die Frage von Lord Carnavon an Howard Carter genannt, die er beim Öffnen der Grabkammer von Tutanchamun stellte: „Can you see anything?“ – „Yes, I can see wonderful things.“

(hb)

 

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