„JEDE ZEIT HAT IHRE AUFGABE,
UND DURCH DIE LÖSUNG DERSELBEN RÜCKT DIE MENSCHHEIT WEITER.“

HEINRICH HEINE

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Mo 05. Nov 2018
Jour fixe, mit Damen

Überall und nirgends: Heinrich Heines Denkmäler • Christian Liedtke (FOTOGALERIE)

Christian Liedtke, Heine-Biograph und Archivar des Heinrich-Heine-Instituts, Düsseldorf, unternimmt eine virtuelle Weltreise zu den schönsten, kuriosesten und entlegensten Heine-Denkmälern. Was hat Düsseldorf mit New York, Moskau oder Paris gemeinsam? In all diesen Städten gibt es ein Denkmal für Heinrich Heine. 47 Statuen in 10 Ländern auf 4 Kontinenten sind im Laufe von 123 Jahren für Düsseldorfs großen Sohn errichtet worden, die meisten von ihnen gegen erhebliche Widerstände.

Dr. Andreas Turnsek begrüßte die anwesenden Heine-Freunde nebst einer Dame, stellte kurz die Vita des Referenten vor und übergab ihm das Mikrofon. Christian Liedtke lobte eingangs seines Vortrags das Engagement des damaligen Freundeskreises Heinrich Heine, dem es dank der Überzeugungskraft seines Gründers Karl-Heinz Theisen nach zehn Jahren diplomatischer Feinarbeit gelungen war, der bayerischen Staatsregierung das Zugeständnis abzuringen, einer von Heine-Freund Bert Gerresheim geschaffenen Heinebüste in der Walhalla den Ehrenplatz zu gewähren. Ein krönender Abschluss als eine weitere späte Wiedergutmachung der Heimatstadt Heinrich Heines, wo ihm seine „Denkmalwürdigkeit“ oft und heftig abgesprochen wurde.

 

Dort setzte Christian Liedtke seine Weltreise zu den vielen Heine-Denkmalen an, mit dem ersten Versuch engagierter Düsseldorfer Bürger, dem vergessenen Sohn Heine ein würdiges Denkmal zu setzen. Ein dafür eigens 1887 gegründetes Comité sammelte Spenden für ein Denkmal, das der Bildhauer Ernst Helter gestalten sollte. Heimliche Verbündete war die Heine verehrende Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, die 50.000 Mark beisteuern wollte. Doch der Plan löste eine öffentliche, teilweise polemische Debatte im Deutschen Reich und auch in Österreich aus, die auch durch nationalistische und antisemitische Untertöne geprägt war. Im März 1988 lehnte der Rat der Stadt das Ansinnen des Comités aus Gründen der nationalen Selbstachtung ab, sodass sich die Kaiserin diskret zurückzog. Der Entwurf von Helter, der Heine mit der Sagengestalt der Loreley ein imposantes Denkmal setzen wollte, wurde Jahre später mit tatkräftiger Unterstützung von Deutsch-Amerikanern als Loreley-Denkmal 1899 im Stadtteil Bronx in New York verwirklicht. Dort ist sie noch heute als Lorelei-Fountain unweit des Yankee-Stadions zu besichtigen.

 

Kaiserin Elisabeth beauftragte enttäuscht von der Reaktion der Stadt Düsseldorf den Bildhauer Louis Hasselriis, der den Lazarus schuf, einen kränkelnden und leidenden Heine, der 1892 in ihrer Residenz Achilleion auf Korfu in einem tempelartigen Pavillon aufgestellt wurde. Nach ihrer Ermordung 1898 in Genf kaufte Kaiser Wilhelm II das Anwesen auf Korfu und ließ Ostern 1908 das Denkmal entfernen. Ein Jahr später gelang es dem Verleger Julius Campe jun., die Heine-Skulptur aus Staatsbesitz zu erwerben, die zunächst in der Innenstadt Hamburgs auf privatem Gelände, dem Kontorhaus, und später in Altona, dort hinter einem Holzverschlag geschützt, einen neuen Aufstellungsort fand. Mit der Machtergreifung wurde 1933 das Denkmal demontiert, bis 1939 Olivia Bouchard, geborene Campe, eine in Paris lebende Künstlerin, veranlasste, dass das Denkmal in Toulon im Botanischen Garten einen würdigen Platz erhielt. 1947 übergab die Stadt Hamburg der Stadt Toulon den Lazarus als Schenkung. Die lange Odyssee der beiden ersten für Düsseldorf geplanten Heine-Denkmäler, die Loreley und der Lazarus, verlängerte das Schicksal Heinrich Heines, über den Tod hinaus als unbequemer Zeitgeist eine unerwünschte Person zu bleiben, die auch als Denkmal nur im Exil eine würdevolle Bleibe findet.

 

Auch ein zweiter Anlauf, Heinrich Heine in Düsseldorf ein Denkmal zu setzen, scheiterte kläglich. An dem dafür vorgesehenen Platz im Hofgarten an der Landskrone wurde wegen des öffentlichen Widerstands ein martialisches Kriegerdenkmal errichtet, das heute noch steht. Im Jahre 1932 sollte auf Veranlassung von zwei Düsseldorfer Schriftstellern ein Heine-Denkmal im Ehrenhof aufgestellt werden. Diverse Ausschüsse der Stadt, unterstützt durch den damaligen Oberbürgermeister Robert Lehr, hatten ihre Zustimmung erteilt. Doch der vom Bildhauer Georg Kolbe im Wettbewerb gegen Arno Breker und anderen Künstlern favorisierte „Aufstrebende Jüngling“, eine allegorische Bronzeplastik, wurde wegen nationalsozialistischer Einflussnahme nicht realisiert. Erst 1949 erhielt das Denkmal seinen vorgesehenen Standort im Ehrenhof. Da der Künstler, wie auch Arno Breker, den Nationalsozialisten nahe stand, wurde der Schriftzug auf dem Steinsockel, Heinrich Heine gewidmet, erst im Jahre 2002 angebracht.

 

Ein zweites Heine-Denkmal in Düsseldorf ist die „Harmonie“ von Aristide Maillol, die seit 1953 auf dem Napoleonsberg im Hofgarten zu besichtigen ist, falls dieses Heine-Denkmal entdeckt wird. Das Denkmal besteht aus einem Mädchentorso, besagte Harmonie. Darunter befindet sich in der tragenden Natursteinmauer ein Medaillon mit der Profilansicht von Heine nebst zugehöriger Inschrift.

 

Im Jahre 1979 wurde die Heinrich-Heine-Denkmal-Gesellschaft gegründet, die Arno Breker mit einem Entwurf beauftragte, „Hockender Jüngling mit Buch“. Die im Jahre 1980 gefertigte Bronzeplastik wurde jedoch auf Beschluss des Kulturausschusses nicht aufgestellt. Breker war als Bildhauer, der für die Nationalsozialisten Auftragsarbeiten realisiert hatte, nicht tragfähig.

 

Nun schlug die Stunde für Bert Gerresheim, der 1981 mit der feierlichen Aufstellung seiner unkonventionellen Bronzeplastik am Schwanenmarkt, dem „Gespaltenen Heine“, zunächst heftige Proteste auslöste. Da war von Schrottplatz und Schandmal die Rede. Gerresheim ging es einzig darum, die Zerrissenheit Heines symbolisch darzustellen, der sich Heine selbst klagend bezichtigte. Die Totenmaske hatte er gewählt, weil sie anstelle der idealisierten Zeichnungen und Bilder das finale authentische Abbild von Heine abgab.

 

Bert Gerresheim schuf noch ein zweites Heine-Denkmal, den „Buch-Heine“, der seit Oktober 2012 auf dem Campus der nach dreiundzwanzigjährigen Querelen im Jahr 1988 in Heinrich Heine Universität umbenannten Universität Düsseldorf steht. „Buch-Heine, eine begehbare Plastik, ist das vorläufig letzte Heine-Denkmal in Düsseldorf, ein großzügiges Geschenk des Heine-Freunds Lutz Aengevelt. Das aufgeklappte Buch zeigt in Porträts den jungen und den alten Heine auf den Buchdeckeln, dazu sind Zitate von Heine auf einer bronzenen Buchseite verewigt.

 

Verlassen wir nun den Schauplatz Düsseldorf auf dem Weg zu weiteren Heine-Denkmälern. Nach der Oktoberrevolution ließ Lenin zahlreiche Denkmäler aus der zaristischen Vergangenheit „liquidieren“ und gab neue Denkmäler in Auftrag. So wurden auch Heine-Denkmäler in Moskau und Sankt Petersburg aufgestellt. Da zu den Freunden und Gästen von Heinrich Heine in seinem Exil in Paris auch Karl Marx und Friedrich Engels zählten, wurde ihm selbstverständlich die sozialistische Ehre zuteil. Überdies erfreut sich Heinerich Heine in Russland nach wie vor großer Beliebtheit, sodass nach dem 2. Weltkrieg ein neues Heine-Denkmal in Moskau enthüllt wurde und im Gegenzug ein Denkmal von Puschkin in Düsseldorf zu besichtigen ist.

 

Christian Liedtke führte uns zu weiteren Heine-Denkmälern. Nach Berlin und Bremen, wo Heine-Plastiken des Bildhauers Waldemar Grzimek stehen. Nach Paris, wo auf dem Friedhof von Montmartre ein prächtiges Heine-Denkmal an den großen Dichter, kritischen Journalisten und Schriftsteller erinnert, der in dieser Stadt Zuflucht und Freiheit gefunden hatte. Er berichtete auch von einem Plantagenbesitzer, der in Französisch-Kongo um die Jahrhundertwende ein Heine-Denkmal aufgestellt hatte. In den Blick kam überdies die erste Heine-Büste im Osten Deutschlands, die 1912 in Halle an der Saale errichtet und von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Zum Reigen der Heine-Denkmäler gehört nicht zuletzt das Heinrich-Heine-Denkmal am Rathausplatz in Hamburg, das anstelle des von Ernst Lederer geschaffen Denkmals, das 1933 von den Nationalsozialisten entfernt und für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen wurde, an den zeitweiligen Hanseaten Heinrich Heine erinnert.

 

Einige Stationen konnte dieses Reisetagebuch notieren, bevor Christian Liedtke seinen brillanten Vortrag beendete, der mit großem Applaus bedacht wurde.

 

Als Dank und Anerkennung überreichte Andreas Turnsek ihm eine Buchpublikation, zwei Bände im Schuber, von Heine-Freund Edmund Spohr über das Düsseldorfer Rathaus. Seitens der Tischgemeinschaft Heinrich Heine der Düsseldorfer Jonges komplettierte Heine-Freund Jürgen Wienrich das Buchpräsent um ein drittes Buch.

 

(hb)

 

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