„JEDE ZEIT HAT IHRE AUFGABE,
UND DURCH DIE LÖSUNG DERSELBEN RÜCKT DIE MENSCHHEIT WEITER.“

HEINRICH HEINE

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Mo 02. Mai 2022

Prof. Dr. Claudia Pahl–Wostl zu Gast im Heine-Kreis

Während einer Fernseh-Diskussionsrunde wurde HF Bernd J. Meloch auf die Systemwissenschaftlerin, Frau Prof. Claudia Pahl-Wostl aufmerksam, die dort erläuterte, warum Wasserknappheit ein immer größeres wie auch globales Problem wird, und was dagegen unternommen werden muss.

 

Zwar mit der Wasserknappheit in etlichen Regionen unseres Planeten, vor allem Afrika, schon bestens durch Aktivitäten des Lions-Clubs Essen-Assindia vertraut, aber doch überrascht, dass auch Deutschland davon betroffen ist, nahm er nach einer Kurzrecherche rasch Kontakt zu ihr auf, um sie für einen Vortrag im HHK zu gewinnen. Spontan kam ihre Zusage. Das liegt nun fast ein Jahr zurück, da die Pandemie auch den Veranstaltungen des HHK einen Strich durch die Rechnung machte. Nun ist sie, die zu den einflussreichsten Forschern*innen weltweit zählt, im Industrieclub eingetroffen, um die zahlreich anwesenden HF und Gäste mit ihrem Vortrag für das brisante Thema Wasserverknappung zu sensibilisieren und über Abhilfemöglichkeiten zu informieren.

 

 

Gut eine Stunde Zeit für Austausch und geselliges Miteinander schenkte der Empfang ab 19 Uhr im Salon Duisburg, bei dem Kaltgetränke und leckere Schnittchen gereicht wurden. Gegen 20 Uhr wurde Platz im Salon Düsseldorf genommen, wo HF Bernd J. Meloch mit einführenden Worten die Referentin vorstellte und kurz die Thematik ihres Vortrags skizzierte. Ausgetrocknete Böden und sinkende Grundwasserspiegel auch hierzulande infolge der zunehmenden Erderwärmung erfordern rasch zielführende Maßnahmen, den passgenauen Umgang für die Folgen der Erderwärmung durch ein Bündel abgestimmter Anpassungsaktivitäten auf nationaler Ebene zu finden und in Angriff zu nehmen. Dieses Ziel hat sich Frau Prof. Pahl-Wostl gesetzt, die sich seit einem Chemieunfall ihres damaligen Arbeitgebers 1986 - ein Fischsterben hunderte Rheinkilometer lang - dieser Aufgabe engagiert und passioniert widmet. Autorin vieler Fachpublikationen und Vortragende auf dem Weltwasserforum haben ihre wissenschaftliche Dignität ins akademische Licht gesetzt, sodass sie den Ruf der Universität Osnabrück erhielt, dort eigenständig einen einzigartigen interdisziplinären Forschungszweig zwischen Natur- und Sozialwissenschaften zu etablieren und betreiben, der die Thematik Mensch-Umweltsysteme abbildet.

 

 

Nachstehender Bericht gibt nur einige Aspekte und Facetten des umfänglichen und detaillierten Vortrags von Frau Prof. Claudia Pohl-Wostl wieder: "Wasser ist Leben. Nachhaltiges Wassermanagement in Zeiten des Klimawandels." Was haben in Deutschland Wasserverknappung in Dürresommern und Hochwasserkatastrophen gemeinsam? Zu wenig Wasser einerseits, aber gleichzeitig auch intensive Starkregenfälle, die verheerende Fluten auslösen. Die Antwort ist eindeutig unf evidenzbasiert unwiderlegbar: Weil das Wassermanagement nie nachhaltig und ganzheitlich war und immer noch ist. Der Klimawandel mit seinen Extremereignissen offenbart schonungslos die mangelnde Resilienz, die hohe Verwundbarkeit unserer fragmentierten und nicht-integralen Wassermanagementsysteme. So zeigt beispielsweise das Ahrhochwasser 2021 die Ursachen auf, die zu dieser Katastrophe führten, die man gerrne als Jahrhundertereignisse abtut. Die geringe Wasserspeicherkapazität der umgebenden Landschaft durch Versiegelung der Böden, Kanalisierung der Fließgewässer, Eliminierung natürlicher Feuchtgebiete, erhaltungswidrige Wald- und Fortwirtschaft sowie falsche Landwirtschaftsformen, aber auch Bebauung in Überschwemmungsgebieten. "Zu nahe am Wasser gebaut" wird dann dramatische Wirklichkeit bei Extremniederschlägen, die infolge der Erderwärmung merklich zunehmen, da bei jedem Grad Erderwärmung rund 7 Prozent mehr Wasser in der Atmosphäre sich befinden. Wasser, das bei Flutkatastrophen auch Leben zerstört. Die andere Seite der Medaille, die Wasserknappheit, wird durch etliche Faktoren verursacht und begünstigt. Vor allem durch die Quantität und Variabilität von Niederschlägen, durch die Quantität und Qualität natürlicher und künstlicher Speicherkapazitäten wie Feuchtgebiete, Grundwasserspeicher und Talsperren. Hinzu kommen die Effizienz der Nutzung von Wasserressourcen, die Mechanismen der Verteilung knapper Wasservorräte und die Art der Landnutzung einer Region.

 

 

Ein Beispiel für Missmanagement ist der Wassernotstand in der Versorgung der Bewohner von Kapstadt 2018, der infolge mehrjähriger Dürre aufgetreten ist. Mangelnde Kooperation und Koordination von Behörden auf allen administrativen Ebenen, unerbittlicher Wettbewerb verschiedener Wassernutzungen, schwache Steuerung des zuständigen Ministeriums bewirkten eine hohe soziale Ungleicheit bei der Wasserverteilung. Das Verschwinden des Aralsees verdeutlicht die katastrophalen Folgen einer menschengemachten Landschaftsveränderung durch gezielte Ansiedlung von Agrarwirtschaft mit ihren Bewässerungskanälen, die dem Aralssee das Wasser entzogen. Agrarwirtschaft benötigt weltweit im Durchschnitt rund 70 Prozent der Süßwasserressourcen. Im Industrieland Deutschland beträgt der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft nur 1,3 Prozent der gespeicherten Wasserreserven. 53 Prozent verbraucht die Energieversorgung, 24 Prozent benötigen Bergbau und verarbeitende Industrie, 22 Prozent fließen in die öffentliche Wasserversorgung.

 

 

Zurück zu Dürreperioden und Hochwasserkatastrophen in einem Atemzug. Es ist die globale Erderwärmung, die hydrologische und agrarische Dürren, aber auch Hochwasser auslöst, da die Niederschläge zunehmen, sich aber jahreszeitlich anders verteilen und die höheren Temperaturen folglich für länger anhaltende Dürreperioden sorgen. Das dies so geschieht, lassen uns die letzten Sommer hier in Düsseldorf erinnern. Gelbbraune Wiesen, verdorrtes Laub, Rinnsal Rhein. Dieser Zustand macht einen Paradigmenwechsel erforderlich. Statt "Kontrolle des Wassers" benötigen wir den Ansatz "Leben mit Wasser", um Risiken in Dialogprozessen zu bewerten und integrative Lösungen zu verhandeln. Ziel muss eine multi-funktionale Landschaft mit Überflutungsgebieten in einer Kombination von natürlicher und künstlicher Infrastruktur sein. Heißt anders, eine nationale Wasserstrategie in Ausrichtung eines integrierten Landschaftsmanagements als zielführende Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels. Hier sind Föderalismus, sektorale Vorschriften, langatmige Planungsverfahren und bürokratische Unzulänglichkeiten noch der größte Hemmschuh. Aber auch jeder Mensch kann einen vernünftigen Beitrag leisten. Man möge sich an den Karnevalsschlager "Wasser ist zum Waschen da .." erinnern, der die Sorglosigkeit beim Wasserverbrauch anpreist, da es doch - so die gängige Kreislauftheorie - ewig fließt. Theoretisch ja, aber praktisch nicht unbegrenzt verfügbar ist. Zu den Zahlen: 122 Liter Tagesverbrauch pro Kopf für Körperreinigung, aber 5.228 Liter täglich beträgt der Wasserfußabdruck jedes Deutschen. Das wird transparent, wenn man weiß, dass in jedem Burger 2.450 Liter stecken, 2.250 in 160 Gramm Fleisch, 35 Liter in einem Brötchen, noch 2 Liter in 10 Gramm Salat.

 

Für ihren exzellenten Vortrag erhielt Frau Professor Pahl-Wostl lang anhaltenden Applaus. Sie stellte sich natürlich auch den Fragen aus dem Auditorium, vor allem von den anwesenden Naturwissenschaftlern HF Jean Pütz und Dr. Dieter Knoll. Das Buchpräsent überreichte ihr mit Dankesworten für ihren aufklärenden Beitrag HF Bernd J. Meloch.

 

 

(hb)

 

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