Nach der Begrüßung von HF Dr. Andreas Turnsek, der in einleitenden Worten auf diese spannende Zeitreise zu dem kapriziösen Thema Mode hinwies, eröffnete Frau Dr. Barbara Steingießer, u.a. als Wissenschaftliche Mitarbeiterin kuratorisch im hiesigen Goethe-Museum engagiert, ihren Vortrag mit einer Frage in der Qualität einer Millionenfrage bei Jauch. Wann und wo erschien das erste Modejournal. Nicht die „Vogue“, nicht „Harper’s Bazaar“, nicht „Brigitte“. Es war das „Journal des Luxus und der Moden“, das 1786, drei Jahre vor dem Sturm auf die Bastille im beschaulichen Weimar der Klassik der Dichterfürsten Goethe und Schiller herausgegeben wurde. Mit ihrem brillanten Vortrag vermittelte Frau Dr. Steingießer dem Auditorium viele Einblicke in eine Facette des damaligen Weimar, die wohl den meisten bislang eine terra incognita war.
Das nun die Mode in Mode kommen durfte, verdankte sich der Aufhebung der Kleiderordnung, die bis dato streng reglementierte, wer mit was zu welchem Anlass seinen Körper von Kopf bis Fuß bekleiden durfte. Diese Liberalisierung brachte den findigen Herausgeber Friedrich Justus Bertuch auf den Plan, mit einem hochwertigen Periodikum einer interessierten und auch ennuyierten Leserschaft Einblicke in die Welt der Mode für Damen und Herren zu erschließen, die an den Schauplätzen Paris, London, Wien und Italien kreiert, inszeniert und getragen wurde. Hieß das erste Exemplar noch „Journal der Moden“, so verriet schon die Hinzunahme der Kategorie „Luxus“, sich diese edle Publikation in der Hausfarbe orange nicht nur auf textile Erzeugnisse beschränkte, sondern als die Mutter aller Lifestylemagazine mit bebilderten Beiträgen über allerlei Novitäten in Sachen Ameublement, Innovationen für Küche, Haushalt und Garten, Schlitten und Kutschen informierte, aber auch sich der Literatur, dem Theater, den Reisen, gesellschaftlichen Ereignissen sowie dem Klatsch widmete. Eine Melange, die ein breites Spektrum an Themen bot und dem Leser die Gewissheit vermittelte, exzellent a la mode zu sein.
Friedrich Justus Bertuch war nicht irgendeiner in der Weimarer Gesellschaft. Immerhin stand er im Range eines Geheimen Sekretärs beim Herzog Carl August, besaß das vornehmste Wohnhaus am Platz, war als Großindustrieller größter Arbeitgeber in Weimar. Zudem verkörperte er als Schriftsteller, Übersetzer, Fabrikant und Ökonom den Menschenschlag, dem das Ingenium hold ist, sodass Erfolge in vielerlei Bereichen gelingen, wie beispielsweise Howard Hughes. Genial war auch die Kommunikation in zwei Richtungen, da Korrespondenten aus den aus- und inländischen Schauplätzen der ersten deutschen Illustrierten nach Weimar berichteten, der Vertrieb des Journals über Vertragsbuchhandlungen in Kopenhagen, Riga, Sankt Petersburg, Straßburg, Winterthur und Zürich für Reichweite und breite Streuung sorgte. Da Luxus nun vielen philosophisch gebildeten Bürgern ein Dorn im Auge waren, konterte Bertuch mit dem Credo, Luxus für Investoren und Technologen eine unverzichtbare Quelle für Industrie und Zirkulation sei, was wir heute unter Wertschöpfung in den Segmenten Künste, Wissenschaft, Handel und Gewerbe verstehen, und den Menschen das Glück des Genießens verschhaffe. Hinzufügen möchte man, das aktuell einzig die Luxusgüterindustrie noch kräftige Wachstumsraten verzeichnet.
Frau Dr. Barbara Steingießer präsentierte anhand etlicher Bilddokumente die eine Vielzahl an Objekten, die im Journal vorgestellt wurden, wie beispielsweise das JouJou, ein Spiel, das letztlich noch als Billy-Panama-Jojo reüssierte, oder das Klappbett und den Sitz- und Stehhocker, dessen Vorläufer bereits Goethe besaß. Bis 1826 erschienen 12.000 Artikel, 1,500 Abbildungen auf 40.000 Druckseiten.
Ihr Vortrag, gespickt mit vielen, das Sujet betreffenden Zitaten von Schiller und anderen Zeitgenossen, die fachkundige Präsentation der Objekte und die Vermittlung des Zeitgeistes wurde mit kräftigem Applaus bedacht.
(hb)
Fotoimpressionen von HF Stephanie Marie Turnsek